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Publikation

Poetik der Oberfläche
Die deutschsprachige Popliteratur der 1990er Jahre

Herausgegeben von Olaf Grabienski,
Till Huber und Jan-Noël Thon

Berlin u.a.: de Gruyter, 2011

ISBN 978-3-11-023764-1

Der Sammelband widmet sich der Geschichte und Gegenwart deutschsprachiger Popliteratur; Bezügen zwischen Popliteratur und Popkultur im Kontext von Dandyismus, Camp-Ästhetik, Gender-Forschung und Popmusik; dem Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Konzepten von Autorschaft und Formen auktorialer Selbstinszenierung sowie - mit einem besonderen Schwerpunkt - den Romanen Christian Krachts als dem wohl einflussreichsten und vielgestaltigsten unter den 'Kiwi-Popliteraten'.

Stefanie Roenneke

Adieu Tristesse!
Wieviel Camp steckt in Pop?

Abstract

Stefanie Roenneke fasst zunächst die von Susan Sontag in ihrem Essay "Notes on 'Camp'" (1964) vorgestellten Überlegungen zur Distinktion des Dandys im Zeitalter einer standardisierten Massenkultur zusammen, die gemäß dem Camp-Konzept mit Hilfe eines ironischen Wahrnehmungsmodus vollzogen wird. Wie auch im ästhetizistischen 'Pop-Hedonismus' Anfang der 1980er Jahre wird bei Sontag - unter anderem durch das Partisan Review als Veröffentlichungsort markiert - aus linksintellektuellen Zusammenhängen heraus ein mit Mitteln der Uneigentlichkeit operierendes Pop-Konzept entwickelt. 'Camp' fungiert in Roennekes Interpretation des umstrittenen, als Programmschrift der 'Popliteraten' wahrgenommenen Tristesse Royale (1999) aber vor allem als Mittel, ein radikales Nebeneinander von Hoch- und Populärkultur einerseits sowie des ästhetisch Zweifelhaften und moralisch Fragwürdigen andererseits zu ermöglichen. Die unter Joachim Bessings fiktionalisierender Federführung entstandene Dokumentation eines Treffens des 'popkulturellen Quintetts' im Berliner Hotel Adlon (außer Bessing waren die Autoren Christian Kracht, Eckhart Nickel, Benjamin von Stuckrad-Barre und Alexander von Schönburg beteiligt) zeigt die dandyhaft-stereotypen Posen der Protagonisten, deren travestieartige Überreizung eine spielerische Sinnentleerung sowohl der Dandy-Bezüge als auch konventioneller Identitätsmodelle zur Folge hat. Von diesem semiotisch-ironischen Spiel mit Identität und Nicht-Identität zeugt auch ein nachträglich erschienener Kommentar Bessings zu Tristesse Royale, in dem er sich rigoros von den in der Rezeption vollzogenen Dandy-Zuschreibungen distanziert. Dazu bedient er sich einer Formel, die Christian Kracht bekanntlich nahezu gleichlautend in Bezug auf den Begriff 'Popliteratur' benutzt hatte: "Bis heute weiß ich [...] nicht, was das eigentlich soll: Dandy" (Bessing 2000).

Referenzen

Bessing, Joachim (2000): "Alles am Dandy ist müde. Über Typen, denen der Spiegel das Brett vor dem Kopf ersetzt". In: Die Welt 25.11.2000.

Sontag, Susan (1964): "Notes on 'Camp'". In: Partisan Review 4, S. 515-530.